Leben bis Männer

 

Wann das legendäre Sparwasser-Tor gefallen ist, das wissen die Frauen, klar: 1974! - Aber sie wissen nicht, wieso. Aber Thomas Knura weiß es. Denn er spielt den Trainer in Thomas Brussigs Ein-Personen-Stück "Leben bis Männer", inszeniert von Raimund Binder.

Dieser Trainer von "BSG Tatkraft Börde" hat schon bessere Zeiten gesehen. LPG weg, Arbeit weg, Gelegenheitsjobs mal hier und da und der Verein, sein Ein und Alles: naja. "Ein Gutes hat die Wende", so der gesetzte Fußballehrer bitter, "wir könnten ja Pokal gegen Bayern München spielen." Mehr oder weniger, in der Theorie jedenfalls. In anderthalb Stunden biegt er sich, mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt, zum Vergnügen des Publikums, sein Weltbild von Vergangenheit und Zukunft zurecht. Wenn man zum Fußball nach Frankreich oder Italien wollte, dann trat man halt in die Partei ein: "Und, bums, hatte ich auch das Bonbon am Revers und konnte jeden Montag zur Parteiversammlung gehen."

Doch zu früh gefreut, alles umsonst, von da an nahm die DDR an keinem internationalen Match mehr teil. Wer hätte das auch ahnen können?

Aber irgendwann ist auch Schluss mit lustig, immer dann, wenn der Trainer die Wahrheit aufblitzen lässt. Mauertote, Pinochet, SED-Mächte, Atomphysik, alles lässt sich natürlich aus dem Weltbild Fußball heraus erklären. Und die Bomben auf Coventry, Hamburg und Dresden lassen sich so auf einen ganz einfache Formel bringen: 2:1 für England. Und der Amerikaner hat die Atombomben nicht wegen Pearl Harbor geworfen, sondern weil er die Regeln vom Baseball nicht versteht.

Doch zurück zum Sportplatz in der Magdeburger Börde unweit der Autobahn. Er hat alle trainiert und ist mit seinen Jungs immer mitgewachsen: "Kinder, Knaben, Schüler, Jugend, Junioren bis Männer!" Heiko war ihm von allen der Liebste, "der tat was man ihm sagte und fragte nicht und diskutierte nicht lange herum". Und Heiko wirde zum Mauerschützen, für den Zuschauer logisch - für den Trainer unfassbar. Zwei Jahre auf Bewährung hat er bekommen und war nicht mehr der Alte. Klar, bei einer Frau als Richterin, denn Frauen verstehen nichts von Fahneneid und Befehlen und schon mal gar nichts von Fußball. Vor allem verstehen sie nicht, wieso. Der Ball ist rund! Brussigs 90-minütiger Fußballmonolog ist es auch. Alles höchst amüsant und mit einer ordentlichen Prise Taktik inszeniert.

 

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