Stückbeschreibung "Elling"

 

Elling hat 34 Jahre seines Lebens mit seiner Mutter zusammengelebt. Sie ist seine einzige Verbindung zur Außenwelt. Als sie stirbt, bricht er zusammen und kommt in eine Nervenklinik. Dort teilt er sich ein Zimmer mit Kjell Bjarne, einem kräftigen, ungehobelt wirkenden Mann, der sich trotz einer schlimmen Kindheit und eines Lebens in Verwahrlosung und Angst ein gutes Herz, eine reine Seele und Humor bewahrt hat.

Den gebildeten, zwanghaft ordentlichen und hochneurotischen Elling mit der obsessiven Vorliebe für die Person von Gro Harlem Brundtland (er hat 19 Ordner mit Zeitungsartikeln über die Politikerin angelegt!) und den tapsigen, groben Kjell Bjarne, der die Naivität eines Kinder hat, verbindet augenscheinlich nichts miteinander, und doch beginnt zwischen ihnen ganz allmählich die sprichwörtliche wunderbare Freundschaft. Beide sind gefangen in ihren Ängsten und Neurosen.

Menschenansammlungen bereiten Elling Panikattacken, Kjell Bjarne fürchtet sich davor, nicht genügend zu essen zu haben. Und beide haben Angst vor dem Kontakt mit der Welt, vor der Begegnung mit fremden Menschen. Jeder der beiden lebt auch mit großen Sehnsüchten und unerfüllbaren bzw. unerfüllten Wünschen: Kjell Bjarne will endlich eine Frau kennen lernen und mit ihr schlafen. Elling möchte eine Katze und etwas von Bedeutung verrichten, den Sinn des Lebens und seine Bestimmung finden. Unmerklich fast helfen sie sich gegenseitig aus ihren Krisen. Elling erzählt Kjell Bjarne bunte Abenteuergeschichten, in denen viele nackte Frauen und ferne Länder vorkommen. Die therapeutische Wirkung dieser Geschichten wird von den Betreuern der Klinik nicht sehr geschätzt.

Doch die Bewältigung der Lebensängste der beiden geht immerhin so weit voran, dass sie die Nervenklinik verlassen dürfen und zusammen eine kleine Wohnung im Zentrum von Oslo beziehen können. Frank, ein Sozialarbeiter, hat den Auftrag, ihnen bei der Bewältigung des Alltags zu helfen.

In ihrer ersten eigenen Wohnung haben Elling und Kjell Bjarne nun endlich jeder ein eigenes Zimmer. Da ihnen aber die abendlichen Gespräche im Dunkeln fehlen, rücken sie die Betten wieder in ein gemeinsames Zimmer, mit dem Nachttisch dazwischen. Sie dürfen sich zwei Kätzchen anschaffen und mühsam üben sie, auch sonst mit dem Leben klarzukommen: Sie lernen zu telefonieren und einzukaufen und sie bewältigen die große Klippe eines Restaurantbesuches. Das gemeinsame Leben könnte so schön sein, doch da findet Kjell Bjarne im buchstäblichen Wortsinne eine Frau.

Reidun heißt die sturzbetrunkene und hochschwangere Frau, die da in ihrem Treppenhaus gestrandet ist. Kjell Bjarne verliebt sich auf Anhieb in Reidun, die - so will es der Zufall - direkt in der Wohnung über ihnen lebt. Und zum ersten Mal geraten Elling und Kjell Bjarne in so etwas ähnliches wie eine Beziehungskrise. Elling leidet unter Eifersucht und Verlustängsten, Kjell Bjarne wird zum ersten Mal in seinem Leben geliebt.

Doch auch Elling findet seine Bestimmung, ohne Kjell Bjarne oder Reidun zu verlieren: Er entdeckt bei sich die Gabe der Poesie und wird zum Sauerkraut-Untergundpoeten, der seine Werke in den Sauerkrautpackungen der Supermärkte versteckt, um ein wenig Licht ins Grau des Alltags zu bringen.

 

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